1964 – digitalisiert von Wolfgang Dietz
Drei Monate schwebten Porzer Taucher schwerelos
Wir kennen die Unterwelt der Meere gut, obwohl kaum einmal ein Sterblicher in sie eindringt. Wir sind auf dem Boden des Mittelmeeres bei Sardinien und Griechenland spazieren gegangen. Wir haben Odysseus Spuren vor den griechischen Küsten aufspüren wollen und sind dabei auf Amphoren und Geräte gestoßen, die dem Abenteurer der großen Sage gehören konnten. Wir haben Fische gejagt, die auch er gejagt haben könnte, und nun wollten wir die rauhere Wirklichkeit des Atlantischen Ozeans kennenlernen. Wir machten uns auf und fuhren mit zwei hochbeladenen Kleintransportern in Richtung Süden, Ziel: die Kanarischen Inseln!
Wir fieberten; denn uns hat zu keiner Minute die Leidenschaft, zu tauchen, da zu sein, wo keines Menschen Fuß sonst hintritt, losgelassen. Wir mußten tauchen, mußten forschen, mußten suchen, mußten erleben, wir konnten nicht anders.
Begonnen hatte das alles mit dem Übungstauchen im Porzer Schwimmbad und im Rhein. Aber ein Meer ist unendlich anders zu erleben. Jede Flossenbewegung tiefer hinab und jeder Schritt auf Meeresboden . ließ uns neue Wunder sehen.
Wir waren zuerst unser sechs, eine Frau dabei: Gisela Odenwald, die Fotografin. Mich, Horst Platt, nannte man den „Boß“, ich bin 32 alt, von Beruf Spediteur. Abschied nahmen mit uns von Porz Karl Denzer, den wir „Charli“ nannten, 43, Stukkateurmeister, verheiratet; Jürgen Klenk, der im Atlantik 23 alt wurde, Bordelektriker; Bernhard Hoffmann, 22, Spezialarbeiter bei einer großen Automobilfirma. In Madrid stieß Rolf Godo, 20, zu uns, und auf den Kanarischen Inseln lehrte uns der achte im Bund, Hans Robert, 25, den wir Hänschen nannten, Metzgermeister wie Josef Keller, daß man sich auf der einzigen Straße einer kleinen Insel verfehlen kann.
Wir hatten gespart, jeder für sich, eisern und Groschen um Groschen; Horst hatte ausgerechnet, daß jedem von uns die drei Monate Aufenthalt auf den „Glücklichen Inseln“ 1100 D-Mark kosten würden. Das Geld floß in die Gemeinschaftskasse. In unseren beiden Wagen verstauten wir die Harpunen, die Spezial-Fotogeräte, die Taucheranzüge, maßgeschneidert, das Schlauchboot mit dem Außenbordmotor, unsere Kessel und Pfannen, Zelte und Luftmatratzen. Wir waren gerüstet für die große Fahrt in ein Paradies.

Weltvergessen sitzt Hänschen auf einem Riff, 30 Meter tief unter der Oberfläche des Atlantiks. Alleiner kann keiner mehr sein.
Es war ein Paradies eigenartiger Art. Zuerst diese Menschen! Wir haben nie zuvor solche Menschen kennengelernt. Bis zur Tiefe von 40 Metern fanden wir im Meer das blaugrüne Paradies, in das nie ein Sonnenstrahl fiel. Die Fische und Steine und Muscheln, die Lava und die Gewächse leuchteten in diesem eigenartigen blaugrünen Licht, und nur, wenn wir Tiere und Pflanzen mit an die Oberfläche brachten, gab ihnen die Sonne die unwahrscheinlichsten Farben der Erde.
Wir waren mit Riesenfischen sozusagen auf du und du, wir streichelten sie am Grund des Meeres, und sie ließen es sich gefallen. Andere Tiere gebärdeten sich mit Giftstacheln und scharfen Zähnen als feindlich. Wir spielten mit nie zuvor gesehenen Fischen zwischen den Riffen. Gisela fotografierte sie in allen Starrollen, die wir ihnen zugedacht hatten.
Sie brauchte weniger Luft auf dem Meeresgrund als wir Männer; manchmal hielt sie es mit dem Pressluftgerät eine Stunde lang unten aus. Einmal blieben die Luftblasen ihres Atems auf der Oberfläche aus. Der Schreck schoß ihrem Sicherungsmann in die Glieder, als er in die Tiefe schoß und Gisela fand.

Bund der Aufrechten! Die Expedtionsteilnehmer zu den Kanarischen Inseln, außer Gisela Odenwald und „Hänschen“ der später kam.
Im Wasser leben, aus dem Wasser leben unglaublich schön ist das! Die Schwerkraft ist dahin; wir schwebten drei Monate lang.