1964 – digitalisiert von Wolfgang Dietz
Die Menschen leben auf Lanzarote auf dem Vulkan
Jürgen, der Pechvogel vom Dienst, hatte nach einem Tag Freundlichkeit wieder Grund zur schlechten Laune: Die letzte Nacht hatte er auf einer Gummimatratze geschlafen, die keine Luft mehr hatte; die Knochen im Leib schmerzten ihm. Auf dem Schiff wurde er entschädigt: Er bekam eine Kajüte mit Bullauge. Aber das wiederum hing mit seinem Pech zusammen, denn er wurde seekrank und hatte eine Öffnung nach draußen nötig.
Auf dem Schiff trafen wir unseren Düsseldorfer wieder. Und seinen Hund. Dieser Hund war in Cadiz wenige Stunden vor dem Einschlafen verschwunden. Wir alle hatten suchen geholfen, stundenlang. Dann hatten wir ihn gefunden und dazu den Beweis, daß ein Hund doch ein klügerer Mensch sein kann. Er lag seelenruhig unter dem Gasthaustisch, wo sein Herr ein paar Stunden vorher ein Glas Wein getrunken hatte, und wartete.
Wir tranken zum Wiedersehen Cuba libre, das ist kanarischer Rum mit Cola. Zusammen standen wir am frühen Morgen des 13. Oktober in der Hauptstadt der Insel Gran Canaria, Las Palmas, nach den Schiffskarten bis Arrecife, der Hauptstadt der Insel Lanzarote, über zwei Stunden an. Noch am Abend desselben Tages sticht unser Schiff in See.
Der Krater ist 200 Meter tief und hat seine 100 Meter im Durchmesser. Und ganz tief unten auf seinem Grund — wir konnten es kaum fassen — stand ein Wohnhaus, lagen bestellte Äcker und graste ein Esel! Die Leute leben wahrhaftig auf dem Vulkan. Wir sahen Bananenplantagen, aßen die ersten Fische aus dem Atlantik und wurden zu acht Mann für 15 DM dicke satt. Um 16 Uhr landeten wir, nach einer Zwischenlandung an der Insel Fuerteventura, in Arrecife auf Lanzarote. Wir erhielten sofort Zelterlaubnis und fieberten dem Meer entgegen. Wann endlich würden wir auf dem Meeresboden spazieren gehen, wann würden wir die Schwerkraft der Erde abschütteln können?

Lanzarote, „unsere“ Kanarische Insel im Atlantik! In Arrecife an der Ostkiiste landeten wir, fuhren nordwärts und dann rings um die Insel herum, am Ufer vorbei, um einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Doch einen relativ sturmfreien Platz fanden wir erst, nachdem fast die ganze Insel umrundet war (Pfeil und Kreuz) bei Playa Blanca an der Südspitze.
Selten wird hier gezeltet, keiner konnte uns einen Rat geben, wo wir eine windgeschützte Bucht mit Sandstrand finden. Aufs Geratewohl nahmen wir von Arrecife Kurs nach Norden. Wir fanden herrliche Buchten, eingefaßt von Lava und seltsamen Gärten, aber der Wind riß unsere Träume in Fetzen; nirgendwo trauten wir uns zu, diesen ewigen starken Seewind auszuhalten. Er riß an unseren Wagen, unseren Nerven.
Ein Trost auf dieser fast 200 Kilometer langen Suchreise: die prächtig illuminierte Riesenhöhle von Cuevas de los verdes, Jameos del Agua. Vierzehn Kilometer lange Gänge, Unterwasserbeleuchtung, alles für die Touristen, die noch kommen sollen, von einem Archäologen und einem Helfer in einem Jahr allein geplant und errichtet.
Als wir die Suche mißmutig schon aufgeben wollten, fanden wir 40 Kilometer weit von unserem Ausgangspunkt Arrecife entfernt, an der Südspitze der Insel, die Bucht, die für drei Monate unser Wasserparadies sein sollte. Der Wind und die Brandung waren zu ertragen. Hinter uns die Feuerberge, die im 18. Jahrhundert noch ein einziges Feuermeer bildeten. Wer ein wenig Erde von der Oberfläche wegkratzte, spürte die Hitze im Erdinnern. Wir steckten trockenes Dornengestrüpp in einen handgroßen Spalt im Lavagestein — nach einer Minute brannte das Gestrüpp lichterloh. Unser Paradies schien nicht ungefährlich zu sein.