Ein Fisch stöhnt auf – 60 Jahre TSG

Zapfenstreich für einen gefährlichen Jagdgegner

Das Zweizentnerweib von Sta­chelrochen mit zwei Giftstacheln am langen Schwanz lag an einem Riff in 20 Meter Tiefe. Wir ent­deckten dieses Urtier, als wir zu fünft von einer Taucherfahrt im Motorboot zurückkehrten. Horst tauchte mit seiner schwersten Har­pune: Federdruckkraft 90 Kilo­gramm! Das Tollste, was wir einem Riesenfisch zu bieten hatten. Er schoß zweimal, aber zweimal auch prallte die Harpune vom Tier ab; es hatte sich in Abwehr stark auf­gebläht und die Haut angespannt.

Zuerst war der Kampf gegen den Giftrochen noch sehr einseitig, aber jeder wußte, daß das Tier sein „letztes Wort“ noch nicht gespro­chen hatte. Ein von Rolf geschos­sener Pfeil drang ein. Als wir die mit dem Pfeil verbundene Leine anziehen wollten, löste sie sich, und unser Rochen schwamm mit dem Pfeil im Fleisch davon. Zu dritt folgten wir ihm im trüben Wasser, bis wir ihn an einem Riff wieder- . fanden. Sein langer Schwanz mit den Giftstacheln bewegte sich un­ruhig, der ganze Fisch zitterte.

Zwei von uns waren mit dem Boot ans Ufer gefahren, um schwe­res Fanggerät zu holen. Sie kamen nach unendlich scheinenden Minu­ten wieder und brachten außer Harpunen eine 30 Meter lange Nylonschnur, an deren Ende ein dicker Ball befestigt war, mit. Große Fische vermochten wohl einen Menschen in die Tiefe zu ziehen, aber niemals einen so gro­ßen luftgefüllten Ball, der uns an der Oberfläche anzeigen sollte, wo sich der getroffene Fisch gerade befand.

Ein Fisch stöhnt auf - 60 Jahre TSG

Zwei Giftstachel trug dieser zwei Zentner schwere Stachelrochen an seinem langen Schwanz, mit dem er wie irrsinnig um sich schlug und die Unterwasserjäger bedrohte.

Ein kleiner Pfeil, hinter dem eine gewaltige Druckkraft saß, traf. Unser Rochen zog sich langsam in einen Spalt zurück, Horst und Jupp hinter sich herziehend. Und da klemmte ihn der in der Haut sit­zende Pfeil ein. In dieser Stellung nahm er die drei schweren Har­punen entgegen, die genau gezielt waren: eine rechts, eine links, die andere in den Vorderkörper. Wir schwammen danach mit den daran befestigten Leinen auseinander, möglichst weit weg von dem stark um sich schlagenden Rochen. Der Rochen schwebte sozusagen zwi­schen uns und wurde damit so gut wie wehrlos. Zentimeter um Zenti­meter zogen wir ihn zum Ufer hin; drei Stunden brauchten wir dafür.

Am Ufer bäumte sich der Rochen auf und schlug mit unglaublicher Kraft mit seinem stachelbewehrten Schwanz um sich. Wir hielten das Tier kurz an den Leinen, waren aber in jeder Sekunde auf der Hut vor den Stacheln, die, wenn sie einen von uns getroffen hätten, un­weigerlich zum Tod geführt hätten. Für solche Fälle hatten wir keine Medikamente.

Unser Rochen starb am Ufer. Er saugte nach langen Minuten einmal ganz tief Luft ein. Dann hörten wir etwas, was wir heute noch zu hören vermeinen und nie zuvor von einem Fisch gehört hatten: der Fisch hatte eine Stimme! Er war nicht stumm! Er stöhnte wie ein Mensch in Todesnot!

Ein Fisch stöhnt auf - 60 Jahre TSG

Reiche Beute für den Mittagstisch. Ein dunkler wohlschmeckender Zackenbarsch und eine silbrige Meeräsche.

Das traf uns alle tief. Wir moch­ten nicht vom Fleisch dieses Rochens essen, so hatte uns dieser „menschliche Laut“ getroffen. Als wir den Rochen den Eingeborenen schenken wollten, stellte sich her­aus, daß auf Lanzarote keiner den Stachelrochen essen mochte, er war ihnen zu fett.

Wir gaben ihm mit allen Ehren ein Seemannsgrab zwei Kilometer weit draußen im offenen Atlantik. Wir hatten kein allzu gutes Gewis­sen, und wir brachten es nicht über uns, unseren starken, gefährlichen Gegner einfach über Bord zu wer­fen. Jürgen ehrte ihn mit seiner Trompete mit dem Großen Zapfen­streich über das Meer. Die Trom­pete klang traurig wie nie zuvor.

Die Fortsetzung heißt:
Große fressen Kleine

Bis zur nächsten Geschichte Wolfgang

Die diebische Elster – 60 Jahre TSG

Erinnerungen an Todesangst vor Sardiniens Küste

Junge Tintenfische sind eine Leckerei! Aber dieses Tintenfisch­kind, das uns fange Zeit über regel­- mäßig besuchte, brauchte keine Angst zu haben, in der Pfanne schmoren zu müssen. Eines Tages war er da. Gisela und Jupp hatten Spüldienst im seichten Wasser nah am Ufer, sie standen bis zu den Knien im Wasser, als Jupp ein sanftes Streicheln an seinen Beinen spürte, dann ein leichtes Ansaugen, als würde sein Bein geküßt. Bei näherer Betrachtung erwies sich der küssende Mund als einer der acht Saugarme eines jungen Tin­tenfisches.

Er hatte keine Angst; die gelbe Plastikspülschüssel hatte es ihm angetan. Nach den „Küssen“ legte er seine Saugarme um die Schüssel und versuchte, sie ins tiefere Was­ser zu ziehen. Aber sie war zu schwer. Da entdeckte er am Ufer einen Kochtopf. Zwei seiner acht Arme legte er um diesen Topf, dann zog er. Aber der Topf regte sich nicht. Da nahm er drei der acht Arme zur Hilfe, legte sie um den Topf, drei andere um einen Stein im Wasser in entgegen­gesetzter Richtung, er krümmte sich zusammen und zog so an dem Topf. Aber auch das half nichts, der Topf war zu schwer.

Die diebische Elster - 60 Jahre TSG
Auf du und du mit einem Hairochen auf dem Meeresgrund in 36 Meter Tiefe. Das Wasser ist nicht so klar wie das des Mittelmeeres, dennoch ist das Ungeheuer gut zu erkennen.

Dieses Tintenfischkind kam alle Tage wieder, wenn gespült wurde. Und es geschah etwas Seltsames: jedes Mal, wenn er sich wieder in sein tieferes Reich begeben hatte, fehlte etwas vom Geschirr! Eine Gabel, ein Löffel, immer etwas Blinkendes. Sollte unser Tinten­fisch im Meer die Rolle spielen, die zur Luft unsere Elstern spielen?

Als wir ihn genauer beobachten wollten, kam er nicht mehr. Er hatte sich an Jupps Arm so fest ange-saugt, daß er nicht mehr los­kommen konnte. Jupp brachte ihn schwimmend weit ins Meer hinaus, ohne vom kleinen, papagei­schnabelartigen Mund gebissen zu werden. Und da ging unser Tinten­fisch freiwillig in die Tiefe und wurde nie mehr gesehen.

Sogar die gefährlichsten Tiere zeigten sich zuweilen als Freunde. Aber eines Tages sichteten wir auf dem Meeresgrund einen Stachel­rochen. Er war so groß, wie wir nie einen gesehen hatten. Später wußten wir: er wog zwei Zentner.

Jäh kam die Erinnerung: Horst hatte im Mittelmeer vor Sardinien im vergangenen Jahr einen hand­teller-großen Stachelrochen erlegt, aber dieser platte, mit einem lan­gen Schwanz versehene Fisch war ihm gefährlich geworden. Eine sei­ner Stacheln am Schwanz (es war ein Weibchen, denn es hatte keine Klammerorgane) hatte ihn im Todeskampf unter Wasser getrof­fen. Halb ohnmächtig vom Gift des Stachels war Horst noch an die Wasseroberfläche gekommen, dann zog man ihn ins Boot, wo er sofort das Bewußt-sein verlor. Im Hafen schleppte man ihn zum Arzt, aber Horst wußte von allem nichts mehr; das starke Herz-gift des Fisches hatte ihm alle Sinne ge­nommen.

Die diebische Elster - 60 Jahre TSG
Nach zehn Tagen Tintenfisch Besuch und wir hätten beim Essen die Finger anstatt des Geschirrs nehmen müssen. Ein Löffel, eine Gabel nach der anderen gingen „verloren“.

Ein französischer Arzt half ihm auf barbarische Weise, aber die viele Tage lang dauernde Kur ret­tete Horst. Wochenlang danach durfte er keine Treppe steigen. Der französische Arzt meinte grin­send, nicht er, sondern das starke Herz von Horst hätten ihm das Leben gerettet.

Einen solchen Stachelrochen, nur um das Hundertfache größer, ent­deckten wir vor Lanzarote. Er hatte am Schwanz zwei lange, bleistiftdicke Stacheln. Rochenfleisch schmeckt großartig. Wir jagten ihn …

Demnächst in meiner Kolumne: Ein Fischt stöhnt auf

Viel Spass, Wolfgang

Wir fahren zur WM!

Entschuldigung, kann uns mal bitte jemand kneifen?! Wir können es immer noch gar nicht so richtig glauben…
Am Dienstag während des Trainings erreichte uns die frohe Botschaft, dass nicht eine, auch nicht zwei sondern DREI unserer Athletinnen für die diesjährige Weltmeisterschaft im Apnoetauchen nominiert wurden. Sie findet dieses Jahr vom 06.07.-10.07. in Belgrad, Serbien stattfinden. Wie cool ist das denn bitte?

Ganz besonders an der Sache: Drei Athletinnen, drei Generationen!

Darleen wurde mit ihren 30 Jahren als Nachwuchsathletin aufgrund ihrer beeindruckenden Leistungssteigerung in das Nationalteam berufen. Auf fast jedem Wettkampf hat sie verlässliche 10% draufgelegt und auf der Deutschen Meisterschaft die 150m geknackt!
Eva hat in den letzten Wochen und Monaten auch fleißig trainiert und hat auf der Deutschen Meisterschaft letztes Wochenende mit ihrem fantastischen 123m Tauchgang bewiesen, dass da noch mehr geht! Sie geht in der Mastersklasse 55-60 an den Start.
Last but not least: unsere Hanne. Hanne wird in der „ältesten“ Mastersklasse 75+ an den Start gehen. Aber nehmt euch in acht! Trotz (oder vielleicht gerade wegen?) ihres respektablen Alters sollte die Konkurrenz nicht unterschätzen was Hanne alles kann!

Wir freuen uns riesig für unsere Apnoistas und freuen uns euch die nächsten Monate beim Training zuschauen zu dürfen!!

Es wird vermutlich wieder einen Livestream geben über den wir euch noch rechtzeitig informieren.

Wir fahren zur WM!

Dive in den Mai

2015 in einer spontanen Laune nach dem Training entwickelt, ist es inzwischen eine feste Tradition im TSG Kalender.

Dieses Jahr waren sieben Taucher im Wasser, wobei einer wegen eines undichten Reißverschlusses am Trocki das Wasser ziemlich schnell wieder verlassen hat.

Zu sehen gab es bei bestem Wetter draußen und 12°C Wassertemperatur viele große Hechte und Aale. Aber auch Krebse und die üblichen kleineren Fische wurden gesichtet.

Ostereiertauchen 2024

Am letzten Donnerstag vor den Osterferien findet traditionell unser Ostereiertauchen statt. Auch dieses Jahr waren wieder über 35 Kinder, Jugendliche und Erwachsene dabei und haben gemeinsam die 90 im Becken verstecken Eier gesucht.

Anschließend gab es im Vereinsheim die Gelegenheit sich mit einem Mettbrötchen zu stärken und die gesammelten Eier zu genießen. Alle Kinder und Jugendlichen wurden von der Jugend noch mit einem Schokoosterhasen beschenkt.

Auf Youtube könnt ihr euch ein kurzes Video vom Ostereiertauchen anschauen.

Der Hai und Gisela

1964 – digitalisiert Wolfgang Dietz

Wilde Tiere leben im paradiesischen Urzustand

„Nie Angst?“ Diese Frage hör­ten wir oft. Wir näherten uns| Riesenfischen, streichelten sie, wir drangen mit jedem Meter in un­bekannte Tiefen und Gefahren ein. Aber die Angst wich der Gewohn­heit. Vorsichtig sind wir immer noch wie am ersten Tag. Im Meer durfte nur der tauchen, für den auf der Oberfläche ein Beobach­tungsmann aufpaßte. An den auf­steigenden Luftblasen aus den Atemgeräten konnte immer genau der Standort des Tauchenden er­kannt werden.

Der Hai und Gisela

Luftblasen aus den Atemgeräten sind für die „Sicherungsmänner“ an der Oberfläche stets beruhigende Zeichen. Bleiben sie aus, muß sofort gehandelt werden.

Einmal aber kam der große Schreck über Jupp, der Sicherungs­mann für Gisela war. Sie fotogra­fierte in 40 Meter Tiefe das Leben und Treiben der Fische. Jupp er­starrte zur „Salzwassersäule“, als die Luftblasen aus ihrem Atem­gerät plötzlich ausblieben. Was war Gisela unten in der totalen Einsamkeit geschehen? War sie ohnmächtig geworden? Hatte sie ein Hai, von denen es einige hier geben sollte, erwischt?

Wie eine Harpune schoß Jupp nach unten. Zum ersten Schreck kam der zweite: Gisela kniete unter einem vorspringenden Riff auf dem Lavaboden und fotogra­fierte mit ganzer Hingabe die um sie herum schwimmenden Fische, die nahe an sie herankamen, als wäre Gisela ihresgleichen. Sie be­wegte sich kaum, sie wollte die Fische nicht verscheuchen. Und die Luft aus ihrem Atemgerät verfing sich unter dem Riff, so daß sie nicht mehr an die Oberfläche des Wassers steigen konnte. Giselas Haarknoten diente als Puffer nach oben gegen das überhängende Riff. Aber hinter ihr — sie hatte es selber nicht bemerkt — schwamm ein riesiger Hairochen, ein Maul wie das eines Haifisches, mit eini­gen Reihen scharfer Zähne. Dieses unheimliche Tier schnupperte an Giselas Kniekehlen.

Was sollte Jupp tun? Konnte er sie bei Aufnahmen stören, die viel­leicht nie mehr in dieser Art ge­macht werden konnten? Fast be­wegungslos schwamm er hinter Gisela und zog sein Jagdmesser, bereit zuzustoßen, wenn dem un­heimlichen Hairochen der Appetit auf Gisela kommen sollte. Aber nach einigen bangen Minuten drehte das Ungeheuer ab. Es schien Gisela als Freund der Fische zu akzeptieren.

Hatte der Rochen einen „sechs­ten Fischsinn“? Gisela aß nie von einem Fisch, den sie schon einmal fotografiert hatte. Das wäre, so sagte sie, als müsse sie ein ge­liebtes Haustier töten und davon essen. Kurz danach hatten Jupp und Gisela ein besonderes Erleb­nis mit einem jungen Tintenfisch, der sich als Freund der Menschen und ihrer Zivilisation zeigte.

Der Hai und Gisela

Viel Spass Wolfgang

Der Hahn von Arrecife

1964 – digitalisiert von Wolfgang Dietz

Seewind legt auch die Stärksten mit der Zeit um

Der unserem Zeltplatz nächst ­gelegene Ort heißt Playa Blanca; ein paar verfallene Häuser. Näher lag Punta Papagayo, die „tote Stadt“, mit einem Wehrturm aus dem vorigen Jahrhundert. Wir schleppten Lavabrocken zu vielen Zentnern, um unser Zelt im star­ken Wind zu verankern. Der Bran­dung wegen mußten wir unser Boot einige hundert Meter weit entfernt vom Ufer festlegen.

Der Hahn von Arrecife

Unsere Bucht zwischen Playa Blanca und Punta Papagayo. Im Hintergrund ein 200 Jahre alter spanischer Wachturm.

Kaum hatten wir einen unserer Wagen als Küche eingerichtet, wo „Boß“ Horst für drei Monate Küchenmeister spielen soll, hatte Rolf schon unheimliches Jagdglück. Er war mit der Harpune auf dem Grund des Meeres spazieren ge­schwommen, als ihm ein 20 pfündiger Cernia, ein Zackenbarsch, über den Weg kam. Wir hatten nach dem ewigen Tee, Brot Marmelade und Büchsenwurst Hunger auf etwas anderes; der Fisch schmorte bald über unserer Propangas­flasche und schmeckte ausgezeich­net.

Als wir noch ein Wasserloch fan­den, war unsere Seligkeit auf der paradiesischen Insel vollendet. Wasser war rar. Die Insulaner stell­ten gerade eine „Fabrik für Trink­wasser“ fertig, die täglich vier Millionen Kubikmeter aus Meer­wasser produzieren soll. Trink­wasser war rationiert; auch wir gaben kein schlechtes Beispiel — wir wuschen und spülten aus­schließlich in Salzwasser, und da­für rächten sich unsere Nieten­hosen mit Löchern und mit dem weißesten Blau ihres Lebens.

Es regnete selten hier, nur minu­tenlang. Wir wunderten uns, wo­her die Gewächse ihre Feuchtig­keit hernehmen. Man zeigte uns: Lavagrus aus den rund 300 Vulkan­kegeln ringsum war dünn auf den Feldern aufgetragen, und diese Schicht nahm Regen und Luft­feuchtigkeit auf und gab sie, so­zusagen rationalisiert, an die Pflan­zen weiter. Andere Pflanzen, die seit Anbeginn der Schöpfung ge­wöhnlich aufrecht stehen, hatten sich im ewigen Seewind akklimati­siert und legten sich von selbst von Geburt an in die Furchen, die die Ackerbauer in die Felder gra­ben.

Bei unserem ersten Ausflug in das Innere der Insel half uns ein Mann, den wir nie vergessen wer­den: Pollo de Arrecife, zu Deutsch „Der Hahn von Arrecife“. Er ist heute noch der stärkste Mann der Kanarischen Inseln, Befehlshaber der Inselpolizei; seinen Ehren­namen verdankt er seinem Sieg im „Rösli“, einer Art von Judosport, er ist „Champion von Kanarien“ und schlug alle seine Gegner. Er liebte uns offenbar sehr, so daß seine Frau eifersüchtig wurde. Wir hörten von andern Leuten, daß sie ihn oft böse fragte: „Warst du wieder bei diesen Deutschen?“

Der Hahn von Arrecife

Der stärkste Mann der Kanarischen Inseln, Pollo de Arrecife (zweiter von links), zeigte uns die Höhlen der Ureinwohner von Lanzarote; er wurde unser guter Freund.

Er zeigte uns die Höhlen der Ureinwohner von Lanzarote, der Guanchen. Es sollen Berberiden gewesen sein, längst ausgestorben, in Krieg, in Sklaverei verschleppt oder in Lavaströmen begraben. In diesen Höhlen, kilometerlang im Erdinnern verschlungen, hatten sich die Männer und Frauen ver­steckt, wenn die Sklavenhändler vom afrikanischen Festland, über 110 Kilometer weit entfernt, auf­tauchten oder wenn die Vulkane auszubrechen drohten. In diesen Höhlen fanden wir noch Tonscherben, verziert mit vorgeschichtlichen Band- oder Schnurverzierungen.

Brennender Dornbusch

1964 – digitalisiert von Wolfgang Dietz

Die Menschen leben auf Lanzarote auf dem Vulkan

Jürgen, der Pechvogel vom Dienst, hatte nach einem Tag Freundlichkeit wieder Grund zur schlechten Laune: Die letzte Nacht hatte er auf einer Gummimatratze geschlafen, die keine Luft mehr hatte; die Knochen im Leib schmerzten ihm. Auf dem Schiff wurde er entschädigt: Er bekam eine Kajüte mit Bullauge. Aber das wiederum hing mit seinem Pech zusammen, denn er wurde seekrank und hatte eine Öffnung nach drau­ßen nötig.
Auf dem Schiff trafen wir unse­ren Düsseldorfer wieder. Und sei­nen Hund. Dieser Hund war in Cadiz wenige Stunden vor dem Einschlafen verschwunden. Wir alle hatten suchen geholfen, stun­denlang. Dann hatten wir ihn gefun­den und dazu den Beweis, daß ein Hund doch ein klügerer Mensch sein kann. Er lag seelenruhig unter dem Gasthaustisch, wo sein Herr ein paar Stunden vorher ein Glas Wein getrunken hatte, und wartete.
Wir tranken zum Wiedersehen Cuba libre, das ist kanarischer Rum mit Cola. Zusammen standen wir am frühen Morgen des 13. Oktober in der Hauptstadt der Insel Gran Canaria, Las Palmas, nach den Schiffskarten bis Arrecife, der Hauptstadt der Insel Lanzarote, über zwei Stunden an. Noch am Abend desselben Tages sticht unser Schiff in See.
Der Krater ist 200 Meter tief und hat seine 100 Meter im Durchmes­ser. Und ganz tief unten auf sei­nem Grund — wir konnten es kaum fassen — stand ein Wohn­haus, lagen bestellte Äcker und graste ein Esel! Die Leute leben wahrhaftig auf dem Vulkan. Wir sahen Bananenplantagen, aßen die ersten Fische aus dem Atlantik und wurden zu acht Mann für 15 DM dicke satt. Um 16 Uhr lan­deten wir, nach einer Zwischen­landung an der Insel Fuerteventura, in Arrecife auf Lanzarote. Wir erhielten sofort Zelterlaubnis und fieberten dem Meer entgegen. Wann endlich würden wir auf dem Meeresboden spazieren gehen, wann würden wir die Schwerkraft der Erde abschütteln können?

Brennender Dornbusch

Lanzarote, „unsere“ Kanarische Insel im Atlantik! In Arrecife an der Ostkiiste lan­deten wir, fuhren nordwärts und dann rings um die Insel herum, am Ufer vorbei, um einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Doch einen relativ sturmfreien Platz fanden wir erst, nachdem fast die ganze Insel umrundet war (Pfeil und Kreuz) bei Playa Blanca an der Südspitze.


Selten wird hier gezeltet, keiner konnte uns einen Rat geben, wo wir eine windgeschützte Bucht mit Sandstrand finden. Aufs Gerate­wohl nahmen wir von Arrecife Kurs nach Norden. Wir fanden herrliche Buchten, eingefaßt von Lava und seltsamen Gärten, aber der Wind riß unsere Träume in Fetzen; nirgendwo trauten wir uns zu, diesen ewigen starken See­wind auszuhalten. Er riß an unse­ren Wagen, unseren Nerven.
Ein Trost auf dieser fast 200 Kilo­meter langen Suchreise: die präch­tig illuminierte Riesenhöhle von Cuevas de los verdes, Jameos del Agua. Vierzehn Kilometer lange Gänge, Unterwasserbeleuchtung, alles für die Touristen, die noch kommen sollen, von einem Archä­ologen und einem Helfer in einem Jahr allein geplant und errichtet.
Als wir die Suche mißmutig schon aufgeben wollten, fanden wir 40 Kilometer weit von unserem Ausgangspunkt Arrecife entfernt, an der Südspitze der Insel, die Bucht, die für drei Monate unser Wasserparadies sein sollte. Der Wind und die Brandung waren zu ertragen. Hinter uns die Feuer­berge, die im 18. Jahrhundert noch ein einziges Feuermeer bildeten. Wer ein wenig Erde von der Ober­fläche wegkratzte, spürte die Hitze im Erdinnern. Wir steckten trockenes Dornengestrüpp in einen handgroßen Spalt im Lavagestein — nach einer Minute brannte das Gestrüpp lichterloh. Unser Paradies schien nicht ungefährlich zu sein.

Pechvogel vom Dienst

1964 – digitalisiert von Wolfgang Dietz

Manana, manana!“ macht den Tauchern zu schaffen

Auf der insgesamt 2 000 Kilo­meter langen Fahrt zu den „Glück­lichen Inseln“ haben wir mit unseren Wagen einige Grenzen überwinden müssen. Einige waren weit offen, andere mit Paragraphen und Schranken verschlossen. Die Fahrt ging bis Weil am Rhein, dann durch Frankreich, Spanien und Portugal. Im Vorbeihuschen in Frankreich eine eigenartige Begeg­nung: Eine sehr vornehme Jagd­gesellschaft hatte sich bei Ussel in einem Gasthof häuslich nieder­gelassen.

Pechvogel vom Dienst

Manana Dieses Wort, das auf schlecht Deutsch nichts anderes bedeutete als „Kommste heut nicht, kommste morgen“, brachte alle Expeditionsteilnehmer aus Porz oft zur Verzweiflung. Sie schauten oft finster drein: Welches „Manana“ wird morgen unsere Wege sperren?

Sie trieb ein makabres Spiel; Die Damen und Herren balancierten leere und gefüllte Gläser auf ihren Köpfen und tanz­ten damit durch die Gasträume. Das Konzert der auf dem Boden zerklirrenden Gläser war vielstimmig. Unsere Reisekasse wäre drauf­gegangen, wenn wir den Spaß nachgeahmt hätten, so wurde der Gläserbestand dezimiert.
Bei Brive, der Patenstadt von Porz, sollte unser Jürgen zum Friseur. Hier begann das Schicksal Jürgens als Pechvogel vom Dienst. Jürgen ist seinen Haaren nach zu urteilen offenbar ein Verehrer der Beatles. Er liebt lang, länger, am längsten. Gisela, die die Beatles nicht ausstehen kann, war beim Friseur Dolmetscherin. Jürgen ver­stand kein Wort. Er sah den Friseur nur eifrig nicken. Gisela aber stellte Jürgen als ihren Bruder vor, der die Haare ganz kurz geschnitten liebe, weil er nicht gern als Frau angesehen, werden wolle. Der Friseur tat, was er konnte. Und Jürgen sprach ein paar Tage lang kein Wort mehr mit uns.
Zwischen Bordeaux und Biarritz liegt etwa alle fünf Kilometer ein Autowrack. Wir fügen uns nur schwer in die rasende Fahrweise der Franzosen ein. Ab und zu reden wir mit den in Porz Daheimgeblie­benen: drei Minuten Telefonieren Biarritz — Porz sechs Neue Francs! Billig!
Ein Erlebnis-, das wir nie ver­gessen: der Besuch der Höhlen von Altamira mit ihren prähistorischen Höhlenmalereien. Aber hier be­gegnete uns zum erstenmal das Wort „Manana!, das heißt „Morgen!“ Es sollte uns später auf den Kanarien auf Schritt und Tritt begleiten. Lastkraftwagen einer Straßenbaukolonne versperrten unsere Straße. Die Bauarbeiter früh­stückten gerade, sie hatten ihre Wagen einfach stehenlassen, wo sie standen, als der erste von ihnen sein Brot auspackte. Wir standen fast eine Stunde lang vor ihnen. „Manana!“ Morgen! Dann wurde der Weg freigemacht.
In Madrid können wir Rolf, den siebten im Bunde, in die Arme schließen; er war mit dem Zug nachgekommen und hatte seine Optikergesellenprüfung in Köln bestanden. Die eigenartigste Grenze auf unserer Fahrt fanden wir zwischen Spanien und Portugal. Sie ist im Sommer bis 18, im Winter bis 17 Uhr geöffnet. Zwi­schen Spanien und Portugal liegt zwei Kilometer Niemandsland. Dann ein langes Palaver: in unseren beiden Wagen seien Waren, die man in Portugal ver­kaufen könne. Lebensmittel, Zelte, Taucherausrüstungen, Fotoapparate und so weiter. Man könne keine Einreiseerlaubnis geben, sagte man auf französisch. Erst der „große Chef“, der von weither geholt wurde, hatte Verständnis für uns.
Wir durften einreisen und bekamen einen langen Schreibebrief mit un­bekanntem Inhalt mit, der uns bei der Ausreise aus Portugal wie ein Zauberstab die Grenze öffnete.
Das Wort „Manana“ ließ uns in Spanien oft daran zweifeln, unser Ziel Lanzarote jemals zu er­reichen. Aber dann standen wir doch eines Tages in Cadiz vor dem Schiff, das uns über Las Palmas nach Arrecife auf Lanzarote brin­gen sollte. Dort trafen wir auch Heinz, einen Düsseldorfer, der Spanisch wie Düsseldorfer Platt be­herrschte und uns half, die Flüche der Spanier beim Verladen unserer schweren Wagen zu verdauen.

Pechvogel vom Dienst

Das Netzwerk der Verladeeinrichtung in Spanien riß, und unser größter Wagen drohte mit allen Vorräten, darunter iür 1000 DM Konserven, in die Tiefe zu stürzen. Aber die Spanier und Allah standen uns bei.