Am letzten Donnerstag vor den Osterferien findet traditionell unser Ostereiertauchen statt. Auch dieses Jahr waren wieder über 35 Kinder, Jugendliche und Erwachsene dabei und haben gemeinsam die 90 im Becken verstecken Eier gesucht.
Anschließend gab es im Vereinsheim die Gelegenheit sich mit einem Mettbrötchen zu stärken und die gesammelten Eier zu genießen. Alle Kinder und Jugendlichen wurden von der Jugend noch mit einem Schokoosterhasen beschenkt.
„Nie Angst?“ Diese Frage hörten wir oft. Wir näherten uns| Riesenfischen, streichelten sie, wir drangen mit jedem Meter in unbekannte Tiefen und Gefahren ein. Aber die Angst wich der Gewohnheit. Vorsichtig sind wir immer noch wie am ersten Tag. Im Meer durfte nur der tauchen, für den auf der Oberfläche ein Beobachtungsmann aufpaßte. An den aufsteigenden Luftblasen aus den Atemgeräten konnte immer genau der Standort des Tauchenden erkannt werden.
Luftblasen aus den Atemgeräten sind für die „Sicherungsmänner“ an der Oberfläche stets beruhigende Zeichen. Bleiben sie aus, muß sofort gehandelt werden.
Einmal aber kam der große Schreck über Jupp, der Sicherungsmann für Gisela war. Sie fotografierte in 40 Meter Tiefe das Leben und Treiben der Fische. Jupp erstarrte zur „Salzwassersäule“, als die Luftblasen aus ihrem Atemgerät plötzlich ausblieben. Was war Gisela unten in der totalen Einsamkeit geschehen? War sie ohnmächtig geworden? Hatte sie ein Hai, von denen es einige hier geben sollte, erwischt?
Wie eine Harpune schoß Jupp nach unten. Zum ersten Schreck kam der zweite: Gisela kniete unter einem vorspringenden Riff auf dem Lavaboden und fotografierte mit ganzer Hingabe die um sie herum schwimmenden Fische, die nahe an sie herankamen, als wäre Gisela ihresgleichen. Sie bewegte sich kaum, sie wollte die Fische nicht verscheuchen. Und die Luft aus ihrem Atemgerät verfing sich unter dem Riff, so daß sie nicht mehr an die Oberfläche des Wassers steigen konnte. Giselas Haarknoten diente als Puffer nach oben gegen das überhängende Riff. Aber hinter ihr — sie hatte es selber nicht bemerkt — schwamm ein riesiger Hairochen, ein Maul wie das eines Haifisches, mit einigen Reihen scharfer Zähne. Dieses unheimliche Tier schnupperte an Giselas Kniekehlen.
Was sollte Jupp tun? Konnte er sie bei Aufnahmen stören, die vielleicht nie mehr in dieser Art gemacht werden konnten? Fast bewegungslos schwamm er hinter Gisela und zog sein Jagdmesser, bereit zuzustoßen, wenn dem unheimlichen Hairochen der Appetit auf Gisela kommen sollte. Aber nach einigen bangen Minuten drehte das Ungeheuer ab. Es schien Gisela als Freund der Fische zu akzeptieren.
Hatte der Rochen einen „sechsten Fischsinn“? Gisela aß nie von einem Fisch, den sie schon einmal fotografiert hatte. Das wäre, so sagte sie, als müsse sie ein geliebtes Haustier töten und davon essen. Kurz danach hatten Jupp und Gisela ein besonderes Erlebnis mit einem jungen Tintenfisch, der sich als Freund der Menschen und ihrer Zivilisation zeigte.
Der unserem Zeltplatz nächst gelegene Ort heißt Playa Blanca; ein paar verfallene Häuser. Näher lag Punta Papagayo, die „tote Stadt“, mit einem Wehrturm aus dem vorigen Jahrhundert. Wir schleppten Lavabrocken zu vielen Zentnern, um unser Zelt im starken Wind zu verankern. Der Brandung wegen mußten wir unser Boot einige hundert Meter weit entfernt vom Ufer festlegen.
Unsere Bucht zwischen Playa Blanca und Punta Papagayo. Im Hintergrund ein 200 Jahre alter spanischer Wachturm.
Kaum hatten wir einen unserer Wagen als Küche eingerichtet, wo „Boß“ Horst für drei Monate Küchenmeister spielen soll, hatte Rolf schon unheimliches Jagdglück. Er war mit der Harpune auf dem Grund des Meeres spazieren geschwommen, als ihm ein 20 pfündiger Cernia, ein Zackenbarsch, über den Weg kam. Wir hatten nach dem ewigen Tee, Brot Marmelade und Büchsenwurst Hunger auf etwas anderes; der Fisch schmorte bald über unserer Propangasflasche und schmeckte ausgezeichnet.
Als wir noch ein Wasserloch fanden, war unsere Seligkeit auf der paradiesischen Insel vollendet. Wasser war rar. Die Insulaner stellten gerade eine „Fabrik für Trinkwasser“ fertig, die täglich vier Millionen Kubikmeter aus Meerwasser produzieren soll. Trinkwasser war rationiert; auch wir gaben kein schlechtes Beispiel — wir wuschen und spülten ausschließlich in Salzwasser, und dafür rächten sich unsere Nietenhosen mit Löchern und mit dem weißesten Blau ihres Lebens.
Es regnete selten hier, nur minutenlang. Wir wunderten uns, woher die Gewächse ihre Feuchtigkeit hernehmen. Man zeigte uns: Lavagrus aus den rund 300 Vulkankegeln ringsum war dünn auf den Feldern aufgetragen, und diese Schicht nahm Regen und Luftfeuchtigkeit auf und gab sie, sozusagen rationalisiert, an die Pflanzen weiter. Andere Pflanzen, die seit Anbeginn der Schöpfung gewöhnlich aufrecht stehen, hatten sich im ewigen Seewind akklimatisiert und legten sich von selbst von Geburt an in die Furchen, die die Ackerbauer in die Felder graben.
Bei unserem ersten Ausflug in das Innere der Insel half uns ein Mann, den wir nie vergessen werden: Pollo de Arrecife, zu Deutsch „Der Hahn von Arrecife“. Er ist heute noch der stärkste Mann der Kanarischen Inseln, Befehlshaber der Inselpolizei; seinen Ehrennamen verdankt er seinem Sieg im „Rösli“, einer Art von Judosport, er ist „Champion von Kanarien“ und schlug alle seine Gegner. Er liebte uns offenbar sehr, so daß seine Frau eifersüchtig wurde. Wir hörten von andern Leuten, daß sie ihn oft böse fragte: „Warst du wieder bei diesen Deutschen?“
Der stärkste Mann der Kanarischen Inseln, Pollo de Arrecife (zweiter von links), zeigte uns die Höhlen der Ureinwohner von Lanzarote; er wurde unser guter Freund.
Er zeigte uns die Höhlen der Ureinwohner von Lanzarote, der Guanchen. Es sollen Berberiden gewesen sein, längst ausgestorben, in Krieg, in Sklaverei verschleppt oder in Lavaströmen begraben. In diesen Höhlen, kilometerlang im Erdinnern verschlungen, hatten sich die Männer und Frauen versteckt, wenn die Sklavenhändler vom afrikanischen Festland, über 110 Kilometer weit entfernt, auftauchten oder wenn die Vulkane auszubrechen drohten. In diesen Höhlen fanden wir noch Tonscherben, verziert mit vorgeschichtlichen Band- oder Schnurverzierungen.
Jürgen, der Pechvogel vom Dienst, hatte nach einem Tag Freundlichkeit wieder Grund zur schlechten Laune: Die letzte Nacht hatte er auf einer Gummimatratze geschlafen, die keine Luft mehr hatte; die Knochen im Leib schmerzten ihm. Auf dem Schiff wurde er entschädigt: Er bekam eine Kajüte mit Bullauge. Aber das wiederum hing mit seinem Pech zusammen, denn er wurde seekrank und hatte eine Öffnung nach draußen nötig. Auf dem Schiff trafen wir unseren Düsseldorfer wieder. Und seinen Hund. Dieser Hund war in Cadiz wenige Stunden vor dem Einschlafen verschwunden. Wir alle hatten suchen geholfen, stundenlang. Dann hatten wir ihn gefunden und dazu den Beweis, daß ein Hund doch ein klügerer Mensch sein kann. Er lag seelenruhig unter dem Gasthaustisch, wo sein Herr ein paar Stunden vorher ein Glas Wein getrunken hatte, und wartete. Wir tranken zum Wiedersehen Cuba libre, das ist kanarischer Rum mit Cola. Zusammen standen wir am frühen Morgen des 13. Oktober in der Hauptstadt der Insel Gran Canaria, Las Palmas, nach den Schiffskarten bis Arrecife, der Hauptstadt der Insel Lanzarote, über zwei Stunden an. Noch am Abend desselben Tages sticht unser Schiff in See. Der Krater ist 200 Meter tief und hat seine 100 Meter im Durchmesser. Und ganz tief unten auf seinem Grund — wir konnten es kaum fassen — stand ein Wohnhaus, lagen bestellte Äcker und graste ein Esel! Die Leute leben wahrhaftig auf dem Vulkan. Wir sahen Bananenplantagen, aßen die ersten Fische aus dem Atlantik und wurden zu acht Mann für 15 DM dicke satt. Um 16 Uhr landeten wir, nach einer Zwischenlandung an der Insel Fuerteventura, in Arrecife auf Lanzarote. Wir erhielten sofort Zelterlaubnis und fieberten dem Meer entgegen. Wann endlich würden wir auf dem Meeresboden spazieren gehen, wann würden wir die Schwerkraft der Erde abschütteln können?
Lanzarote, „unsere“ Kanarische Insel im Atlantik! In Arrecife an der Ostkiiste landeten wir, fuhren nordwärts und dann rings um die Insel herum, am Ufer vorbei, um einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Doch einen relativ sturmfreien Platz fanden wir erst, nachdem fast die ganze Insel umrundet war (Pfeil und Kreuz) bei Playa Blanca an der Südspitze.
Selten wird hier gezeltet, keiner konnte uns einen Rat geben, wo wir eine windgeschützte Bucht mit Sandstrand finden. Aufs Geratewohl nahmen wir von Arrecife Kurs nach Norden. Wir fanden herrliche Buchten, eingefaßt von Lava und seltsamen Gärten, aber der Wind riß unsere Träume in Fetzen; nirgendwo trauten wir uns zu, diesen ewigen starken Seewind auszuhalten. Er riß an unseren Wagen, unseren Nerven. Ein Trost auf dieser fast 200 Kilometer langen Suchreise: die prächtig illuminierte Riesenhöhle von Cuevas de los verdes, Jameos del Agua. Vierzehn Kilometer lange Gänge, Unterwasserbeleuchtung, alles für die Touristen, die noch kommen sollen, von einem Archäologen und einem Helfer in einem Jahr allein geplant und errichtet. Als wir die Suche mißmutig schon aufgeben wollten, fanden wir 40 Kilometer weit von unserem Ausgangspunkt Arrecife entfernt, an der Südspitze der Insel, die Bucht, die für drei Monate unser Wasserparadies sein sollte. Der Wind und die Brandung waren zu ertragen. Hinter uns die Feuerberge, die im 18. Jahrhundert noch ein einziges Feuermeer bildeten. Wer ein wenig Erde von der Oberfläche wegkratzte, spürte die Hitze im Erdinnern. Wir steckten trockenes Dornengestrüpp in einen handgroßen Spalt im Lavagestein — nach einer Minute brannte das Gestrüpp lichterloh. Unser Paradies schien nicht ungefährlich zu sein.
Auf der insgesamt 2 000 Kilometer langen Fahrt zu den „Glücklichen Inseln“ haben wir mit unseren Wagen einige Grenzen überwinden müssen. Einige waren weit offen, andere mit Paragraphen und Schranken verschlossen. Die Fahrt ging bis Weil am Rhein, dann durch Frankreich, Spanien und Portugal. Im Vorbeihuschen in Frankreich eine eigenartige Begegnung: Eine sehr vornehme Jagdgesellschaft hatte sich bei Ussel in einem Gasthof häuslich niedergelassen.
Manana Dieses Wort, das auf schlecht Deutsch nichts anderes bedeutete als „Kommste heut nicht, kommste morgen“, brachte alle Expeditionsteilnehmer aus Porz oft zur Verzweiflung. Sie schauten oft finster drein: Welches „Manana“ wird morgen unsere Wege sperren?
Sie trieb ein makabres Spiel; Die Damen und Herren balancierten leere und gefüllte Gläser auf ihren Köpfen und tanzten damit durch die Gasträume. Das Konzert der auf dem Boden zerklirrenden Gläser war vielstimmig. Unsere Reisekasse wäre draufgegangen, wenn wir den Spaß nachgeahmt hätten, so wurde der Gläserbestand dezimiert. Bei Brive, der Patenstadt von Porz, sollte unser Jürgen zum Friseur. Hier begann das Schicksal Jürgens als Pechvogel vom Dienst. Jürgen ist seinen Haaren nach zu urteilen offenbar ein Verehrer der Beatles. Er liebt lang, länger, am längsten. Gisela, die die Beatles nicht ausstehen kann, war beim Friseur Dolmetscherin. Jürgen verstand kein Wort. Er sah den Friseur nur eifrig nicken. Gisela aber stellte Jürgen als ihren Bruder vor, der die Haare ganz kurz geschnitten liebe, weil er nicht gern als Frau angesehen, werden wolle. Der Friseur tat, was er konnte. Und Jürgen sprach ein paar Tage lang kein Wort mehr mit uns. Zwischen Bordeaux und Biarritz liegt etwa alle fünf Kilometer ein Autowrack. Wir fügen uns nur schwer in die rasende Fahrweise der Franzosen ein. Ab und zu reden wir mit den in Porz Daheimgebliebenen: drei Minuten Telefonieren Biarritz — Porz sechs Neue Francs! Billig! Ein Erlebnis-, das wir nie vergessen: der Besuch der Höhlen von Altamira mit ihren prähistorischen Höhlenmalereien. Aber hier begegnete uns zum erstenmal das Wort „Manana!, das heißt „Morgen!“ Es sollte uns später auf den Kanarien auf Schritt und Tritt begleiten. Lastkraftwagen einer Straßenbaukolonne versperrten unsere Straße. Die Bauarbeiter frühstückten gerade, sie hatten ihre Wagen einfach stehenlassen, wo sie standen, als der erste von ihnen sein Brot auspackte. Wir standen fast eine Stunde lang vor ihnen. „Manana!“ Morgen! Dann wurde der Weg freigemacht. In Madrid können wir Rolf, den siebten im Bunde, in die Arme schließen; er war mit dem Zug nachgekommen und hatte seine Optikergesellenprüfung in Köln bestanden. Die eigenartigste Grenze auf unserer Fahrt fanden wir zwischen Spanien und Portugal. Sie ist im Sommer bis 18, im Winter bis 17 Uhr geöffnet. Zwischen Spanien und Portugal liegt zwei Kilometer Niemandsland. Dann ein langes Palaver: in unseren beiden Wagen seien Waren, die man in Portugal verkaufen könne. Lebensmittel, Zelte, Taucherausrüstungen, Fotoapparate und so weiter. Man könne keine Einreiseerlaubnis geben, sagte man auf französisch. Erst der „große Chef“, der von weither geholt wurde, hatte Verständnis für uns. Wir durften einreisen und bekamen einen langen Schreibebrief mit unbekanntem Inhalt mit, der uns bei der Ausreise aus Portugal wie ein Zauberstab die Grenze öffnete. Das Wort „Manana“ ließ uns in Spanien oft daran zweifeln, unser Ziel Lanzarote jemals zu erreichen. Aber dann standen wir doch eines Tages in Cadiz vor dem Schiff, das uns über Las Palmas nach Arrecife auf Lanzarote bringen sollte. Dort trafen wir auch Heinz, einen Düsseldorfer, der Spanisch wie Düsseldorfer Platt beherrschte und uns half, die Flüche der Spanier beim Verladen unserer schweren Wagen zu verdauen.
Das Netzwerk der Verladeeinrichtung in Spanien riß, und unser größter Wagen drohte mit allen Vorräten, darunter iür 1000 DM Konserven, in die Tiefe zu stürzen. Aber die Spanier und Allah standen uns bei.
Wir kennen die Unterwelt der Meere gut, obwohl kaum einmal ein Sterblicher in sie eindringt. Wir sind auf dem Boden des Mittelmeeres bei Sardinien und Griechenland spazieren gegangen. Wir haben Odysseus Spuren vor den griechischen Küsten aufspüren wollen und sind dabei auf Amphoren und Geräte gestoßen, die dem Abenteurer der großen Sage gehören konnten. Wir haben Fische gejagt, die auch er gejagt haben könnte, und nun wollten wir die rauhere Wirklichkeit des Atlantischen Ozeans kennenlernen. Wir machten uns auf und fuhren mit zwei hochbeladenen Kleintransportern in Richtung Süden, Ziel: die Kanarischen Inseln!
Wir fieberten; denn uns hat zu keiner Minute die Leidenschaft, zu tauchen, da zu sein, wo keines Menschen Fuß sonst hintritt, losgelassen. Wir mußten tauchen, mußten forschen, mußten suchen, mußten erleben, wir konnten nicht anders.
Begonnen hatte das alles mit dem Übungstauchen im Porzer Schwimmbad und im Rhein. Aber ein Meer ist unendlich anders zu erleben. Jede Flossenbewegung tiefer hinab und jeder Schritt auf Meeresboden . ließ uns neue Wunder sehen.
Wir waren zuerst unser sechs, eine Frau dabei: Gisela Odenwald, die Fotografin. Mich, Horst Platt, nannte man den „Boß“, ich bin 32 alt, von Beruf Spediteur. Abschied nahmen mit uns von Porz Karl Denzer, den wir „Charli“ nannten, 43, Stukkateurmeister, verheiratet; Jürgen Klenk, der im Atlantik 23 alt wurde, Bordelektriker; Bernhard Hoffmann, 22, Spezialarbeiter bei einer großen Automobilfirma. In Madrid stieß Rolf Godo, 20, zu uns, und auf den Kanarischen Inseln lehrte uns der achte im Bund, Hans Robert, 25, den wir Hänschen nannten, Metzgermeister wie Josef Keller, daß man sich auf der einzigen Straße einer kleinen Insel verfehlen kann.
Wir hatten gespart, jeder für sich, eisern und Groschen um Groschen; Horst hatte ausgerechnet, daß jedem von uns die drei Monate Aufenthalt auf den „Glücklichen Inseln“ 1100 D-Mark kosten würden. Das Geld floß in die Gemeinschaftskasse. In unseren beiden Wagen verstauten wir die Harpunen, die Spezial-Fotogeräte, die Taucheranzüge, maßgeschneidert, das Schlauchboot mit dem Außenbordmotor, unsere Kessel und Pfannen, Zelte und Luftmatratzen. Wir waren gerüstet für die große Fahrt in ein Paradies.
Weltvergessen sitzt Hänschen auf einem Riff, 30 Meter tief unter der Oberfläche des Atlantiks. Alleiner kann keiner mehr sein.
Es war ein Paradies eigenartiger Art. Zuerst diese Menschen! Wir haben nie zuvor solche Menschen kennengelernt. Bis zur Tiefe von 40 Metern fanden wir im Meer das blaugrüne Paradies, in das nie ein Sonnenstrahl fiel. Die Fische und Steine und Muscheln, die Lava und die Gewächse leuchteten in diesem eigenartigen blaugrünen Licht, und nur, wenn wir Tiere und Pflanzen mit an die Oberfläche brachten, gab ihnen die Sonne die unwahrscheinlichsten Farben der Erde.
Wir waren mit Riesenfischen sozusagen auf du und du, wir streichelten sie am Grund des Meeres, und sie ließen es sich gefallen. Andere Tiere gebärdeten sich mit Giftstacheln und scharfen Zähnen als feindlich. Wir spielten mit nie zuvor gesehenen Fischen zwischen den Riffen. Gisela fotografierte sie in allen Starrollen, die wir ihnen zugedacht hatten.
Sie brauchte weniger Luft auf dem Meeresgrund als wir Männer; manchmal hielt sie es mit dem Pressluftgerät eine Stunde lang unten aus. Einmal blieben die Luftblasen ihres Atems auf der Oberfläche aus. Der Schreck schoß ihrem Sicherungsmann in die Glieder, als er in die Tiefe schoß und Gisela fand.
Bund der Aufrechten! Die Expedtionsteilnehmer zu den Kanarischen Inseln, außer Gisela Odenwald und „Hänschen“ der später kam.
Im Wasser leben, aus dem Wasser leben unglaublich schön ist das! Die Schwerkraft ist dahin; wir schwebten drei Monate lang.
Porz (pta) — Als auf dem Weg nach Zypern der vierte Reifen platzte, als die Fähre zur Insel mitten auf hoher See mit Maschinenschaden in den Wellen schlingerte, da schien der Erfolg der archäologischen Unterwasserexpedition, zu der Horst Platt, Porzer Taucherchef, und vier seiner besten Leute nach Zypern aufgebrochen waren, mehr als zweifelhaft. Doch der Reifen wurde in der glühenden Hitze repariert und auch die Fähre nach Zypern wieder soweit instand gesetzt, daß sie unter den Gebeten des Steuermanns um günstigen Wind schließlich mit vier Knoten Geschwindigkeit die Küste Zyperns erreichte.
Während der sechs Wochen in Zypern lernte Horst Platts Tauchergruppe auch die Prominenz der Insel kennen. Hier steht Horst Platt (ganz rechts) im Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Zypern (Mitte) und dessen Frau, sowie dem Präsidenten der türkischen Nationalkammer, Dr. Nejdet, ganz links. Bild: G.Odenwald
Für die fünf Porzer Taucher, die gekommen waren, um während der nächsten sechs Wochen die Unterwasserlandschaft rund um die Insel nach antiken Wracks abzusuchen, begann ein Abenteuer, das den Deutschen nicht zuletzt wegen der politischen Situation auf der Insel etliche brenzlige Situationen bescherte.
Die Expedition, von der die Porzer erst kürzlich zurückkehrten, war mit langer Hand vorbereitet worden. Zwölf Monate lang wälzten die Taucher alle denkbare Literatur über die Insel, studierten Seekarten, erkundeten die Windbedingungen an den Küsten, um herauszufinden, wo vor über tausend Jahren einmal Schiffe mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit untergegangen sein könnten. Doch die Natur machte es den Porzern nicht leicht. Im Laufe der Geschichte hat sich die Insel mehrmals gehoben und gesenkt, so daß zum Beispiel die Meeresströmungen oder die Beschaffenheit des Meeresbodens sehr wenig über mögliche Fundorte auszusagen vermögen. So waren die Taucher nicht zuletzt auf eine gehörige Portion Glück angewiesen.
Frisch in Zypern angekommen, hatten die vier Männer, die von der Fotografin Gisela Odenwald begleitet wurden, erst einmal mächtigen Dusel: Nadi drei Tagen und Nächten im Zelt, in dem die Expeditionsteilnehmer schon um halb sieben Uhr morgens schweißgebadet auf ihren Schlafsäcken lagen, stellte ein türkischer Zypriote den fünf Deutschen ein Haus zur Verfügung, in dessen Erdgeschoß zur großen Freude der Deutschen ausgerechnet eine Wirtschaft war. „Wir brauchten uns bloß aus dem Fenster zu hängen und zu klatschen, dann kam der Wirt persönlich mit dem Tee nach oben!“ erzählt Horst Platt.
Während der vielen Fahrten über die Insel allerdings war es mit allem Komfort vorbei. Die zahlreichen Militärposten der Griechen, Türken und UN-Soldaten machten den Porzern das Leben schwer. Das schlimmste Erlebnis allerdings hatten die Taucher nachts, als sie sich auf der Insel verfahren hatten und auf einen einsamen UNO-Posten stießen, der zwischen dem griechischen und türkischen Gebiet angelegt worden war. Ein einsamer UN-Soldat, dem offensichtlich mitten im Niemandsland das Herz in die Hose gerutscht war, vertrieb die Deutschen mit entsicherter Maschinenpistole im Anschlag und dem Finger am Abzug von der Straße. „Eine falsche Bewegung und er hätte uns vor lauter, Angst abgeknallt“ Mit Griechen und Türken hatten die Deutschen in der Regel keine Schwierigkeiten, auch wenn ihnen gelegentlich ein Militärposten mit dem Bajonett vor der Nase herumfuchtelte.
Zu dem deutschen Botschafter auf Zypern hatten die Porzer ein gepflegtes Verhältnis. Nachdem sie dem Diplomaten vier Königsfische im tiefen Wasser mit ihren Harpunen geschossen hatten, schien der Botschafter restlos beglückt: „Ja, das sind ja die Fische, die so gut in der Suppe schmecken.“ Um die Expedition zu einem Erfolg zu führen, mußten Gisela Odenwald, Horst Platt, Wolfgang Hoppe, Jürgen Klenk, Wolfgang Geissler und der türkisch zypriotische Student Hassan Osman Karabiber, der die Deutschen als Dolmetscher begleitete, hart arbeiten. Meter für Meter wurde der Meeresboden an den trächtigen Stellen nach Scherben, Ankersteinen und sonstigen Anzeichen eines versunkenen Schiffes abgesucht.Über den Erfolg der Expedition schweigt Horst Platt sich selbstverständlich aus. Doch wie seinen Worten zu entnehmen ist, sind die Porzer sicherlich nicht ganz ohne fruchtbare Ergebnisse nach Deutschland zurückgekehrt.